In manchen Lehrbüchern wird die Vulva bis heute als Strich, die Klitoris als Punkt dargestellt. Wie ist das möglich?
Erst seit den 1980er Jahren wird die Sexualität der Frau endlich intensiv erforscht und es gibt auch weibliche Fachleute, die die Untersuchungen und Studien anführen. Die Ergebnisse, die sie zutage bringen, sind nicht immer das, was man erwarten würde. 1998 machte die australische Urologin Helen O’Connell Schlagzeilen mit ihrer Erforschung der Anatomie der Klitoris. Sie stellte fest, dass die Klitoris nicht wie lange angenommen, nur aus einem kleinen Kopf, der Klitoris-Perle, besteht, sondern ein viel grösseres, weitverzweigtes Organ ist, das eng mit der Vagina verbunden ist und über ungefähr 15'000 Nervenenden im Beckenbereich verfügt.
Das Verrückte dabei: Ein Grossteil dieses Wissens war schon mal vorhanden, wie detaillierte Zeichnungen in Anatomiebüchern von 1840 zeigen. Darin wird die Klitoris in ihrer gesamten Grösse von ca. neun Zentimetern gezeigt. Dass dieses Wissen verschwand, war kein Versehen, sondern ist der bewussten Zensur geschuldet. Da die Klitoris das einzige menschliche Organ ist, das ausschliesslich der Lust dient und sonst keine anderen bis heute bekannten Funktionen hat, galt sie einerseits als unwichtig für die Fortpflanzung, andererseits auch als gefährlich. Dieses lustvolle Organ wollte nicht recht ins damalige Bild der anständigen Frau passen, der Sex mehr oder weniger gleichgültig war. In den nächsten Jahrzehnten und Jahrhunderten verschwanden die genauen Abbildungen der weiblichen Genitalien immer mehr aus medizinischen Büchern. Ja, oft wurde die Vulva nur noch mit einem Strich, die Klitoris nur noch mit einem Punkt wiedergegeben. Bis heute stellen viele Schulbücher für den Aufklärungsunterricht die Klitoris leider entweder gar nicht oder falsch dar – also mangelhafter als vor fast 200 Jahren. Unglaublich - aber wahr!
NF
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